Wie alles begann:

Schon so lange ich denken kann hatte ich eine Vorliebe für Pferde. Das erste mal hatte ich mir wohl als  6-jähriger den „Max“ aus dem Stall eines bekannten Bauern geholt und ritt mit ihm ohne Sattel einfach los. Ein herrliches Gefühl. Nach langer Pause nahm ich mir als Erwachsener die ersten Reitstunden. Nicht viel später kaufte ich mir mein eigenes Pferd, einen Vollblutaraberhengst.

In den Jahren 1974 – 1980 arbeitete ich nahezu jedes Jahr 2-4 Monate als Fotograf  für eine archäologische Expedition in Syrien am Euphrat. Dort lernte ich viele einheimische Menschen kennen und unter anderem einen alten Beduinen der mit seiner Familie auf einem Hügel in seinem großen Zelt lebte. Davor angebunden standen 2 asile Araberstuten. Sein Sohn lud mich des öfteren ein mit ihm Ausritte zu machen. So ritten wir in die Wüste und an den Euphrat wo wir mit den Pferden schwimmen gingen. 

Mein erstes Buch über arabische Pferde war „das klassische arabische Pferd“ von Judith Forbis. Mit der Lektüre erfasste mich die „Arabitis“ nun wollte ich die asilen Pferde in „El Zahara“ sehen. In einem GEO-Heft fand ich einen Artikel über die asilen Pferde der Tahawy-Beduinen von Hans Silvester.  Mein Entschluss stand fest. Ich musste da hin. Jedem dem ich erzählte, daß ich nach Ägypten wolle war sicher, dass ich der Sehenswürdigkeiten dort hin wollte. Als ich aber sagte, dass ich der Pferde wegen dorthin reiste erntete ich nur Unverständnis. Dieses Unverständnis sollte mir in Zukunft noch öfter begegnen .

Ich glaube es war 1981 als ich das 1. Mal nach Ägypten kam. Der Orient, die arabische Welt war mir ja vertraut, wenn auch Ägypten nicht mit Syrien zu vergleichen war. Ich besuchte das Staatsgestüt El Zahara“ und bewunderte die herrlichen Pferde. Ich war beeindruckt. Hübsche Köpfe mit kräftigem Dish, zarte Glieder wahnsinns Ausdruck.

Dann ging es weiter zu der Adresse von einem Sheik Soliman al Tahawy  mit seiner deutschen Frau Helga in „Gesiret Elewa“. Schon die Fahrt dorthin war ein Abenteuer. Aber nach einer Tagesfahrt kam ich abends dort an. Ein Dorf im Nildelta zwischen Wüste und grünen Feldern. Ein Gehöft von einer Mauer umgeben, mit Pferden vor dem Haus, an den Beinen nach Beduinen Art festgebunden und unter einem riesigen Baum der den dort stehenden Pferden Schatten spendete. Und ein Steinhaus mit breiter herrschaftlicher Treppe. Von dort kam mir dann auch die Hausherrin entgegen und begrüßte mich. Sie lud mich ein ein paar Tage zu bleiben und mir die Pferde in Ruhe anzuschauen, was ich dann auch dankend annahm. Die Pferde der Tahawys sahen anders aus als die asilen Pferde die ich kannte. Zum einen lag das daran, dass sie nicht sonderlich gepflegt, zum anderen, dass sie sehr mager waren. Sie waren kräftiger als die Pferde aus El Zahara und hatten längere Köpfe, ohne Dish und größere Hufe. Wie ich lernte hatte das alles seine Bedeutung. Helga erzählte mir, dass die Tahawypferde nicht von der WAHO anerkannt seien sie aber jetzt versuchten ein Stutbuch zu erstellen um sie der Nachwelt zu erhalten. Im nächsten Jahr solle ein Herr Bernd Radke aus Belgien kommen der die Stammbäume aufschreiben wolle. Als sie hörte, dass ich Fotograf sei bat sie mich die Fotos dazu zu machen. Ich sagte zu und beschloss im nächsten Jahr wieder zu kommen.

1982 traf ich mich dann mit Bernd R. in Elewa. Wir schrieben und fotografierten und putzten die Pferde um sie auch ansehnlich präsentieren zu können. Es war eine Menge Arbeit, aber es hat sich gelohnt. Mein, unser Wissen über die wahre Beduinenzucht wurde reicher. Viele „Märchen“ und Geschichten über das arabische Pferd konnte korrigiert oder ergänzt werden. Am Ende überwog die Faszination über diese so scheinbar unauffälligen Pferde, ihre Leistungsfähigkeit und ihre Reinheit. Die Pferde aus El Zahara waren für mich in den Hintergrund getreten. Es war mir unverständlich warum diese Pferde nicht anerkannt werden sollten. Doch die Hintergründe sollte ich später erfahren.

Für unsere Mühe bot uns Sheik Soliman jedem ein Pferd aus seiner Herde an. Mir hatte Fauzia bint Bombolle ( 7 Jahre) sofort gefallen. Unabhängig von meiner Entscheidung suchte sich Bernd ihre Tochter Salua bint Fauzia aus. Wir beschlossen dann auch die beiden Pferde nach Deutschland zu holen. Ich bot mich an dies zu tun und zwar reitender Weise. Mein Traum eine lange reise zu Pferde zu machen rückte damit in nächste Nähe.

1984 sollte es dann so weit sein. Fauzia, Salua, und eine andere Stute die sich eine Claudia aus der Schweiz ausgesucht hat  sollten nach Deutschland. Ina B. eine bekannte die gelernte Bereitein war und ich wollten die Pferde zu Fuß , zu Schiff und reitend nach Deutschland bringen. Das war der Plan.

Um ein Pferd aus dem mittleren Osten oder Nord Afrika in Deutschland zu importieren zu können benötigt man eine Sondergenehmigung, eine sog. Zollfreiheitsbescheinigung. Diese erhält man vom Landwirtschaftsministerium der Bundesrepublik wenn man vom Araberverband eine Bescheinigung vorlegen kann, dass diese Pferde für die deutsche Zucht gewünscht werden. Damit wurden bisher alle Pferde aus El Zahara in Deutschland eingeführt. Dr. Nagel, damals Vorsitzender des Araberverbandes, der die Geschichte kannte sagte mir zu diese Bescheinigung auszustellen. So buchten wir schon mal einen Flug nach Kairo. Ich machte mich auf den Weg zum Araberverband, mit 500 DM bewaffnet. (denn so teuer sollte die Bescheinigung sein) dort angekommen wollte ich meine Bescheinigung abholen. Doch der damalige Zuchtleiter Dr. Gramatzki verweigerte sie mir. So versuchten Bernd und Claudia Einfuhrgenehmigungen in der Schweiz oder Belgien zu bekommen. Es zog sich alles in die Länge, denn auch von dort war nichts  positives zu hören. Inzwischen war der Abflugtermin gekommen und wir hätten den Flug verfallen lassen müssen. Aber ich glaubte immer noch an eine Lösung. Dann eröffneten mir Bernd und Claudia, dass sie von dem Vorhaben zurücktreten wollten. Ihnen war die ganze Angelegenheit dann doch zu riskant, zumal Bernd’s Pferd erst 3 Jahre alt war. Das war ein harter Schlag. Dennoch flogen Ina und ich nach Kairo um zu sehen ob wir wenigstens Fauzia, mein Pferd, nach Deutschland bringen könnten.

In Elewa am 25.07.1984 angekommen, wurden wir herzlich empfangen. Jetzt begann die Odyssee durch die Behörden und die Suche nach dem besten Weg die Stute nach Deutschland zu bringen. Soliman bot uns den Hengst „Id“ an. Der war nach einem Sturz auf der Rennbahn so sehr verletzt, dass die Ärzte ihn sofort dort einschläfern wollten. Aber Soliman ließ ihn nach Elewa bringen, wo ihn sein Vetter der Beduinenarzt medizinisch versorgte und ihm sein ausgekugeltes rechtes Vorderbein mit Kokosfasen durch die Haut verarztete. Dann musste „Id“ nahezu ein Jahr, gefesselt an 3 Beinen, im Hof stehen. Danach kam er wieder ins Training und konnte sogar wieder ein Rennen gewinnen. Allerdings konnte er nicht mehr ungehindert in beide Richtungen auf der Rennbahn laufen. Deshalb wollte ihn Soliman von der Rennbahn holen. Id war ein sehr schicker Hengst und Ina und ich waren überglücklich. 

Wir machten Ausritte mit Fauzia und anderen Stuten um sie zu trainieren. Soliman kümmerte sich um die Formalitäten. Irgendwann sollten die Pferde einer Kommission des Landwirtschaftsministeriums vorgestellt werden. Diese ermittelt einen Wert des Pferdes. Dieser Wert muss dann in ägyptische Pfunde umgetauscht werden. Abzüglich einer Summe für Bearbeitung bekommt man das umgetauschte Geld zurück. Um Geld zu sparen sollte Fauzia nach Kairo gebracht werden, Id war ja ohnehin noch dort. Soliman wollte einen Eisenbahnwagon organisieren was aber leider nicht klappte. So beschloss er, dass Msallem sein Diener, Fauzia nach Kairo reiten sollte. Ich war entsetzt, denn es sind runde 150 km bis dort hin und wir hatten sie doch erst ca. 14 Tage geritten. Msallem versprach sich Zeit zu lassen. Am Abend des Abritts rief Msallem an und berichtete dass Fauzia die ganze Strecke getänzelt sei. Die kurze Antwort von Soliman war: reit weiter! Am 3. Tag war er angekommen. Ab dem 2. Tag sei sie ganz brav gelaufen. Sie wurde sofort der Kommission  vorgestellt. Ca. 2 Wochen später ritt Msallem sie wieder zurück. Dazu brauchte er dann nur noch 2 Tage. Dann kam die ernüchternde Nachricht. Fauzia wurde auf 3000.-$ geschätzt, nach Aussage der Kommission so wenig wie noch kein Pferd das Ägypten verlassen hat. Id jedoch wurde als erfolgreiches Rennpferd auf 20 000.- $ taxiert. Das war das Ende von unserem Traum, dem Ritt durch Wüsten und Gebirge mit unseren asilen Tahawy Pferden!

Doch kleinkriegen ließen wir uns nicht. Wir suchten andere Möglichkeiten Fauzia nach hause zu bringen. Diese Suche gestaltete sich schwierig. Telefonleitungen funktionierten selten, Telegramme kamen verstümmelt an, so dass nur die reise zu den jeweiligen Transportgesellschaften erfolgreich sein konnte, wenn überhaupt. So machte ich mich auf den weg nach Kairo, Alexandria, Port Said, Ismaelia usw. Viele Verhandlungen mit Spediteuren, aber keine Zusage. Der Weg mit dem Schiff schien der erfolgversprechendste. Aber wohin? Nach Griechenland, Israel, Beirut, Latakia in Syrien oder Italien, nichts ging. In diesen Tagen gab es viel Hoffnungen und noch mehr Enttäuschungen. Die Städte waren heiß und stickig und vor allem teuer. Der Tauschkurs war schlecht und das Geld zerrann zwischen den Fingern. Wer den Orient kennt, weiß dass an jeder Ecke eine Hand aufgehalten wird. So wurde das Geld immer weniger, ohne dass ich bisher etwas erreicht hätte. Claudia bot uns ihr Geld welches sie schon als Anzahlung auf ein Pferd geleistet hatte, an. Aber leider konnte das Fax welches sie Soliman als Beweis schickte unleserlich an. Letztendlich halfen mir meine Eltern aus der Klemme. Sie schickten mir eine größere Summe ohne zu fragen wofür. Ich wäre in Erklärungsnöte gekommen. 

Ina war schon auf dem Weg nach Griechenland, weil wir eine Zusage für eine günstige Überfahrt  nach Saloniki hatten. Leider durfte da aber nur 1 Begleitperson mit. Doch kurz vor der Abreise wurde die Zusage ohne Erklärung wieder zurückgezogen. 

Unentwegt suchte ich weiter bis ich endlich ein Schiff gefunden hatte, die „Heliopolis Star“ und….. sie sollte uns sogar nach Hamburg bringen……sollte.

Nun musste Fauzia wieder nach Kairo um die Exportpapiere und die Gesundheitsuntersuchung die für jedes Pferd das Ägypten verlässt unumgänglich ist, beim Landwirtschaftsministerium zu bekommen. Diese Untersuchungen werden von dem jeweiligen Importland vorgeschrieben. Untersuchungen auf Malleus, Rotz, infektiöse Augenerkrankung, und Pferdepest usw. Dagegen wurde F. geimpft. Also ging ich zum LWM. Dr. Hosni dort erklärte, dass nicht alle vorgeschriebenen Untersuchungen gemacht werden könnten und verwies mich an einen Dr. der in der DDR studiert habe und mir weiter helfe. Der wiederum meinte, dass einige Untersuchungen möglich seien aber die meisten nicht. Die Untersuchung auf infektiöse Anemia ginge nicht, es sei denn es gäbe noch Reagenzien von einem Professor, der dafür Fachmann gewesen sei, aber vor 10 Jahren Ägypten in Richtung Frankreich verlassen hätte. Er gab mir eine Empfehlung an Hr. Fuad Hanna mit.

 

El Zahara sollte im Auftrag diese medizinischen Untersuchungen machen. Die Formulare waren vom deutschen ins englische und arabische übersetzt. Aber Dr. Soliman Chalil wollte sie nicht unterschreiben. Auf Nachfrage erklärte er, dass diese Untersuchungen nicht gemacht werden könnten. Wie konnte es angehen, dass sie in El Zahara die deutschen Formulare nicht kannten? Dutzende von Pferden aus dem Staatsgestüt waren bereits nach Deutschland exportiert, mit allen Untersuchungen drauf abgestempelt. Und jetzt kannten sie noch nicht mal das Gesundheitszertifikat? Dr. Zaglul erklärte mir auf meine Nachfrage, dass das etwas ganz anderes sei. Für die Pferde die aus El Zahara kämen würden sie die Garantie geben, dass sie gesund seien. Aber für private könnten sie das nicht!!! Wie interessant: alle nach Deutschland, Europa und Amerika importierten Pferde hatten nie die erforderlichen Untersuchungen bekommen. Wie einfach, allen importierenden Ländern reichte für 100erte von Pferden ein Stempel und entsprechende „Gebühr“ aus. Aber ich sollte keine Stempel bekommen. 

Da war ich nun tagelang von einer Behörde zur anderen unterwegs. Ständig gependelt von Elewa nach Kairo, Alexandria usw. , weil Telefone in der Regel „out of order“ waren, um ausgerechnet hier in El Zahara zu stranden? Nein danke. Ich verzichtete auf die Untersuchung von El Zahara. Eigentlich hätte ich es wissen müssen als alter Orient Reisender. Nicht genügend Beziehungen und nicht genügend „Backschisch“. Und nicht nur das. Im Rahmen unseres Gesuchs die Thahawy Pferde anzuerkennen war dies für El Zahara eine weitere Möglichkeit das zu blockieren. Diese Erkenntnisse und Einblicke waren aufschlussreich!

Dann ein Lichtblick. Die übrigen Exportpapiere seien laut meinem Speditionsagenten Hr. Wassili, fertig ! Hr. Fachmi Suelim, ein älterer Herr der früher viele Pferde exportiert hat und weiß wie es geht, hatte mir Hilfe angeboten. Bei einem Besuch bei ihm kam die Ernüchterung. Die Papiere waren bei weitem noch nicht fertig. Aber endlich hatte ich jemanden gefunden der mich verlässlich und ohne Geld zu nehmen beriet. Meinen Agenten Wassili konnte ich in den Wind schießen. Der ließ mich alle Arbeit machen und kassierte obendrein noch viel Geld dafür.

Am 3.10.84 war es endlich so weit. Nachdem wir es nicht geschafft hatten eine vernünftigen Pferdetrailer zu bekommen sollte uns ein Daihatsu LKW mit offener Ladefläche für 55.-Pfund nach Kairo bringen. Ich hatte es schon oft erlebt, dass Kamele Rinder und eigentlich alles was sich transportieren lässt auf Lkw’s geladen wird. Das ist lustig anzusehen, aber wenn es für einen selbst ist  wird es einem doch mulmig. Morgens um 4:00h kam der Laster. Alles sollte schnell schnell gehen. Es gab keine Rampe, nur ein Haufen Mais. Ehe ich etwas sagen konnte parkten sie dort und erklärten mir ich solle die Stute hochspringen zu lassen. Ich weiß nicht warum ich es gemacht habe. aber ich kletterte zuerst rauf, hatte Fauzia am Seil, und sie sprang mir hinterher. Dabei fiel ich über die Bordwand wieder runter und Fauzia sprang mir hinterher. Nun dachte ich ist es vorbei. Sie kommt bestimmt nicht mehr mit. Ich setzte mich diesmal durch und ließ sie an einem Sandhügel parken. Ich ging auf die Ladefläche und Fauzia dackelte mir hinterher. Ich erinnerte mich an Solimans Worte. Wenn den Pferden der Stress zu groß wird dann laufen sie dir hinterher wie ein Hund. An diese Worte sollte ich noch häufiger denken müssen. Durch Dunkelheit und Nebel über schlechte Straßen und Pisten kamen wir dann doch in Kairo im Rennstall an. 

Am 04.10.84 noch einmal ein neuer Versuch die Unterschriften fürs Gesundheitszeugnis zu bekommen.  Ein Auszug aus meinem Tagebuch: …… “Heute morgen bei Dr. Zaglul. Er war in Deutschland auf der Schau in Aachen. Er hat auch Bernd getroffen wie er sagte. Mit mir heute konnte er nicht viel anfangen. Er meinte, ich solle nach Zagasig. Die seien dort zuständig! Er und Dr. Chalil könnten nicht unterschreiben. Zwischendurch las er Zeitung und unterdrückte laufend sein Gähnen. Er war heute sehr “nachdenklich“. Sein ganzes Theater ist jetzt zusammengebrochen! Dr. Chalil wünschte mir viel Glück. Sehr nett. Haha! So eine Peinlichkeit habe ich noch nicht erlebt…..“

Dann wieder in den Rennstall zu Fauzia. Doch welcher Schreck, Fauzia war nicht mehr dort. Wo ist sie abgeblieben? Hat sie jemand geklaut? Keiner konnte mir Auskunft über ihren Verbleib geben. Doch dann endlich will jemand gesehen haben, dass sie mit einem Pferdehänger abgeholt worden sei. Dabei hatte ich ausgemacht, dass ich mitfahre und sie nicht alleine transportieren lasse. Noch am selben Tag fuhr ich mit dem Bus nach Alexandria und konnte sie nach längerem Suchen dort im Rennstall finden. Zu fressen hatte sie noch nichts bekommen. Da sollte ich zuerst bezahlen. Und zwar richtig viel. Meine Kraft ging so langsam zu Ende. Jedes Mal musste erneut um alles, meistens Geld, verhandelt werden.

Fachmi Suelim hatte sofort, nachdem die griechische Rederei abgesagt hatte, ein neues Schiff für mich klar gemacht. Die „Heliopolis Star“, sie sollte nach Hamburg gehen. Dieser Gedanke war himmlisch. Eine Transportkiste für Fauzia hatte er auch besorgt. Sie sollte  300.-$ kosten. Er selbst hatte sie noch himmelblau angestrichen. Ich war begeistert. Doch da kam schon das nächste Problem. Mein Visum war abgelaufen und ich brauchte einen neuen Stempel. Sohne den hätte ich nicht ausreisen können, noch wäre nicht auf das Hafengelände gekommen. In der Not hatte ich dann auch mal Glück. Ich fand einen sehr netten Taxifahrer der mich ab jetzt ständig begleitete, zu den Behörden brachte und mir sagte wie viel Bakschisch die jeweilige Person bekommen soll. Es kann nämlich zu Schwierigkeiten führen wenn man dem Falschen zu viel gibt. Aber mit Hilfe des Taxifahrers Anid Mohamad schaffte ich auch die letzten Hürden. Am 08.10. kam dann die nächste Hiobsbotschaft: Die Heliopolis Star will mich doch nicht mitnehmen. Sie hat den Kurs geändert. Sie fährt „nur“ nach Antwerpen. Das war mir jetzt egal. Hauptsächlich weg aus diesem land. Egal wohin, aber weg. Nach harten Verhandlungen mit dem Kapitän Rumi willigte er ein mich und Fauzia für 800.-$ nach Antwerpen zu bringen. 

Fauzia wurde von dem Stallburschen vom Stabel zu Fuß an den Hafen gebracht wo auch schon ihre Kiste wartete. Jetzt mussten nur noch die Papiere geprüft werden, dann konnte es losgehen. Die Männer vom Zoll waren freundlich, hatten aber eine Frage: „Wo ist das 2. Pferd das hier aufgeführt ist?“ oh jeh wie kann man das erklären. Das war „Id“ den wir ja auch mitnehmen wollten. Der wurde nie von der Liste gestrichen! Wenn er jetzt in Alex gewesen wäre hätte ich ihn  mitnehmen können. Jetzt musste er von der Liste gestrichen werden. Dazu waren weitere teure Stempel nötig. Ich fühlte wie die umstehenden Leute mich bemitleideten wenn sie fragten wie teuer der „donky“ gewesen wäre. Irgendwie konnte ich es ihnen nicht verübeln. Sah doch Fauzia inzwischen klapperdürr aus. Den Wert eines Pferdes trotz schlechter Kondition zu erkennen macht eben den Fachmann aus. Der donky war ich wohl eher selbst.

Am 09.10.84 wurde Fauzia verladen. Es war alles sehr aufregend. Sie wollte natürlich nicht in die Kiste. Endlich drin wurde sie angehoben. Normalerweise, meinten die Leute würde man den Pferden für so eine Aktion einen Sack über den Kopf stülpen. Aber mit Fauzia ging das gar nicht. Jetzt sie wurde angehoben. Aber die Seile waren nicht austariert. Die Kiste hing völlig schief. Fauzia versuchte zu steigen. Zum Glück hielten die Kiste und die Seile. Im Nu stand sie auf Deck. Ich verabschiedete mich von meinen Helfern. Da gab es noch einmal Streit mit dem Stallburschen, denn der wollte unverschämt viel Geld. Nur mein Taxifahrer war total nett. Ihm hätte ich gerne mehr gegeben, aber ich konnte nicht mehr. Traurig, wieder hatte es der falsche bekommen. aber jetzt wollte ich nur noch weg hier. Dennoch sollte es noch 2 Tage dauern. Die ganze Zeit solange das Schiff im Hafen lag hatte ich Angst, dass sie uns wieder abladen wenn der Kapitän herauskommen sollte, dass ich keine Einfuhrgenehmigung für Fauzia hatte.

Endlich, am 11.10.84 legte das Schiff ab. Bei schönstem Sonnenschein und einer leichten kühlenden Brise vom Mittelmeer her.                        Die Heliopolis Star ist ein 4000 Bruttoregister Tonnen Containerschiff. Als es so im Hafen lag und Fauzia da hoch sollte kam es mir riesig vor. Aber jetzt auf offener See ist es eher winzig im Verhältnis zu den Öltankern denen wir begegnen. Das Schiff ist 1967 in Danzig gebaut und gerade neu von den Polen an die Ägypter verkauft. Deshalb wurde von den Ägyptern ein Teil der alten polnischen Crew mit angeheuert. Das waren der polnische ehemalige Kapitän, der 1. Offizier, der Zimmermann, der Chef Ingenieur und der Elektriker. Ansonsten der ägyptische Kapitän Rumi und 31 Mann Besatzung.

Fausia hatte sich langsam an ihre Kiste gewöhnt. Um sie unter ein Vordach zu stellen musste Fauzia aus der Kiste. Auf Deck war es so glatt, dass sie sofort zu rutschen begann. Ich bat Kapitän Rumi, der oben stand und sich das Schauspiel anschaute, um eine Plane  die ich unterlegen könnte. Er verweigerte sie mir. Nach bangen Minuten rückte er ein paar Holzmatten heraus die wir unterlegen konnten. F. hatte sich beim Sturz vom LKW am Bein hinten verletzt . Es war kräftig angeschwollen. Mit Q-tips und Watte versuchte ich die Wunde so gut wie möglich zu reinigen und musste feststellen dass die Verletzung sehr tief war. Aber sie hielt ganz artig still als ich bei ihr in der Kiste saß. Der polnische Zimmermann bot mir an  mit dem herumliegenden Holzresten eine größere Box zu bauen, damit F. sich auch mal hinlegen könnte. Aber Kapitän Rumi wollte für das Holz 200.-$ . die hatte ich nicht mehr. Daraufhin liess er das ganze Holz und den übrigen Müll über Bord werfen. Stephan, der polnische Kapitän meinte nur, dass Rumi trinken und kiffen würde. Er hatte auch Probleme mit ihm, weil er keine Ahnung hatte sich aber nichts sagen ließ. Für mich war es ein Glück, dass die Polen mit auf dem Schiff waren und mich unterstützten. Wir klagten uns gegenseitig unser Leid und luden uns zu der einen und anderen Flasche Whisky ein. Stephans Vater hatte selbst Pferde in Polen weshalb er auch gut Ahnung hatte. Das kam mir auch zu Gute als Fauzia eine Kolik hatte. Der Zimmermann und Stephan bauten schnell einen Irrigator aus einer Konservendose und einem Schlauch. Da füllte ich Seifenwasser rein und machte ihr einen Einlauf. Zum glück löste sich daraufhin die Kolik.     Aus Filz und Stofflappen bastelte ich Fauzia Schuhe die ich ihr anzog bevor ich sie zu Spaziergängen aus der Box holte. Damit und mit den Holzmatten die ich vor der Entsorgung gerettet hatte  ging ich mehrmals täglich mit Fauzia auf Deck spazieren und ließ mich von der Herbstsonne wärmen. Ihre angelaufenen Beine wurden auch besser. So ließ es sich aushalten.             Unangenehm waren die Mahlzeiten. Zu Anfang konnte ich sie zurückgezogen genießen. Doch dann befahl mir Rumi mit ihm am Tisch zu speisen. Das war unangenehm weil er oft wirres  Zeug redete. Er versuchte sich und die Ägypter zu erklären wobei er kein Hehl aus seiner Abneigung und seinem Hass auf alle Europäer und Amerikaner machte. Daher wehte also der Wind.

Meine Versuche Claudia und Bernd anzurufen oder Telegramme zu schreiben misslangen häufig, zumindest konnte ich nie sicher sein ob meine Hilferufe beim Absender angekommen waren. Es hieß oft, dass jetzt keine gute Verbindung möglich sei, bezahlen musste ich aber trotzdem. Wie schon die ganze Zeit vorher in Ägypten ging es auch hier fast ausschließlich ums Geld. Manchmal sollte ich schon etwas bezahlen was ich noch gar nicht bekommen hatte. Entschädigt wurde ich durch das gute Wetter mit dem ich Mitte Oktober nicht gerechnet hätte und von Fauzia die wirklich prima war. Ich verliebte mich immer mehr in sie. Sie wurde immer anhänglicher und freundlicher. Schon begann zu vergessen welche Mühsalen ich in den vergangenen Wochen ertragen musste. Wir waren jetzt schon 5 Tage unterwegs, 5 Tage Sonne. Doch nachts wurde es jetzt schon empfindlich kalt. Außerdem kamen wir immer weiter in den Norden. Am 6. Tag passierten wir Gibraltar. Rumi hatte angeordnet, dass das Deck entrostet wird und bei Fauzia angefangen werden sollte. Mit Kompressor und Rosthämmern gingen die Matrosen an die Arbeit. Stephan meinte, dass ich Fauzia nach Achtern nehmen sollte. Die Sonne schien immer noch. Und ich freute mich total auf zu Hause. 

17.10.84, 7. Tag: „ …8:00h aufgestanden. Es ist lausig kalt, ca. 10° C wie ich erfahre. Es weht ein kalter Wind. F ist ruhig und freut sich über die Morgenration. Heute nehme ich sie nicht raus. Zum 1. Weils mich lausig friert 2 weil die Plane gespannt ist und kein Platz zum wenden besteht 3.ist frisch gestrichen bis zu ihrer Kiste . Ich geh öfters runter zu ihr, aber sie ist z.Z. nicht schmusig. Gegen 13:00h habe ich die Decke abgenommen da es wärmer geworden ist und die Sonne ein wenig scheint. Die Hinterbeine sind unverändert. Nicht gut, aber auch nicht schlechter geworden. Das wird sich an land bald wieder geben.Mit telefonieren wird heute nichts. Wir sind bereits in der Biskaya und zu weit vom Land entfernt. Wir haben unveränderte Geschwindigkeit von 15 Knoten und werden am 19.10. den Piloten in den Hafen bekommen. Ca. 16:00h wenn das wetter so bleibt! Morgen Claudia über Frankreich anrufen! Ich lese viel und rauche natürlich auch viel. Die Heizung ist angestellt!             Nachts fängt das Schiff an zu schwanken. Ca. 23:30h/24:00h mache ich noch einen Rundgang zu Fauzia, alles ok. Zurück in der Kabine kann ich nicht schlafen Die Röllchen vom Vorhang rollen hin und her. Ich überlege wieder aufzustehen. Aber irgendwie will ich nicht zu Fauzia raus. Um 3:00 h gehe ich trotzdem runter. Der Zimmermann ist da bei Fauzia. Sie kämpft gegen die Wellen und kann sich in der Box nicht halten. Es ist glatt. Wir legen Holzlatten in die Box. Damit geht es etwas besser. Aber immer wenn eine große Welle kommt rutscht sie durch die Gegend. Und die großen Wellen  über10m hoch kommen. Dabei ist zwar kräftiger Wind aber kein Sturm. Die Biskaya, alle sagten es vorher. Das Wetter ist unberechenbar auf See….“

18.10.84 8.Tag : „….Und wenn ich denke, dass es schlimmer nicht kommen kann, werden die Wellen noch höher. Dann fängt es zu regnen an. Aber die gespannte Plane hält ihn ab. F. hat die Steppdecke über. Ich bin beinahe am verzweifeln und habe totalen Schiß. Ich kann es kaum beschreiben. Mir ist schlecht. Die Nacht vergeht und vergeht nicht. Ich stehe bei ihr bis morgens 8.00h und bringe ihr bei sich auszubalancieren und ruhig zu stehen. Das ist das wichtigste. … Um 10:00h haben wir die Biscaya hinter uns, zu 11:00h wird die See etwas ruhiger, wir sind im englischen Kanal…..Die Box hat gehalten. Ich war mir nicht immer sicher…..“

Wilde Gedanken gingen mir bei dem Sturm durch den Kopf. Was wenn Fausia über Bord gegangen wäre. Manchmal war es sehr knapp. Die Box bog sich gewaltig durch wenn F. mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Wände drückte. Und ich, ja ich hatte auch Angst über Bord zu gehen. Rumi hatte allen Matrosen verboten an Deck zu gehen. Ich habe mich nicht daran gehalten. Der Zimmermann übrigens auch nicht. Er war schon bei F. als ich noch in meiner Kabine lag. Es war richtig gefährlich, auch deshalb weil die Deckel vom Laderaum nicht richtig befestigt waren und hin und her rutschten. Dann rollten unbefestigte Fässer durch die Gegend. Rumi hatte nicht auf den Rat von Stephan gehört. Der hatte das kommen sehen. Aber auf dem Schiff hat nur einer das Sagen, der amtierende Kapitän. Wie musste es Stephan gehen, das alles sehen, aber nichts dagegen unternehmen zu können.

Ich war froh so glimpflich davongekommen zu sein. 

20.10.84 10.Tag Wir erreichten den Hafen in Antwerpen. Es war kalt und F. fror. Bei mir mischte sich Freude und Selbstzweifel ob das was ich hier getan habe so richtig war. Ich hatte Angst vor der Kritik der Anderen. Bernd und Claudia hatten mich doch gewarnt und versucht mich zu bremsen. Aber ich war so eigensinnig und glaubte so sehr an das Abenteuer und den Erfolg. Ich habe mich fast in allem verschätzt: Es hat alles länger gedauert als geplant, ist viel, viel teurer geworden, war anstrengender und  teilweise frustrierender als gedacht. Die Freude es geschafft zu haben trat hinter den Zweifeln zurück. Und es war ja noch nicht geschafft!

Der Agent des Schiffes kam an Bord und erklärte mir, dass er keine Einfuhrgenehmigung bekommen konnte. Es gebe nun 3 Möglichkeiten. 1. Fauzia muss wieder nach Ägypten zurück, 2. Sie muss eingeschläfert werden, 3. Ich könnte versuchen sie zu schmuggeln. Alle 3 Möglichkeiten wollte ich nicht. Ich wollte eine Einfuhrgenehmigung!!! Die Vorstellung, dass Fauzia unerkannt bliebe wenn ich sie schmuggeln würde war mir unvorstellbar. Hatte ich das ganze doch nur auf mich genommen weil ich ein original asiles Pferd von den Tahawy Beduinen haben wollte mit dem ich züchten könnte.

Dann kam Bernd mit einem Bekannten der Tierarzt war. Entgegen meiner Erwartungen freute sich Bernd sehr, dass ich es bis Antwerpen geschafft hatte. Der Tierarzt nahm Blut ab um die Untersuchungen zu machen die für eine Einfuhr notwendig sind, die in Ägypten nicht gemacht wurden. So war F. das erste Pferd aus Ägypten das ein korrektes und vollständiges Gesundheitsattest erhalten sollte. An Land waren auch Liane und Michael mit einem Pferdehänger. Bernd hatte bei Freunden, die einen Stall etwas außerhalb Antwerpens hatten, eine Box für die Quarantäne organisiert.

Rumi setzte mir wieder mit seinen Unverschämtheiten zu, wollte meine Freunde nicht an Bord lassen, oder viel Geld dafür bekommen. Nach 2 Tagen des Wartens willigte ich schließlich ein Fauzia bei Nacht und Nebel aus dem Hafen zu bringen. 

Dann am 22.10.84 sollte es passieren. Meine polnischen Freunde machten die Seilwinde klar zum abladen. Punkt 24:00h ging es dann los. Ich war so froh, dass das Abladen von Stephan organisiert wurde. Schon schwebte F. in der Luft in ihrer Kiste. Aber der Kran hakte. Die Box mit F. fiel kurz, fing sich aber wieder. Die Bodenbretter bogen sich doll durch. Dann landete sie auf dem Boden. Ich nahm F. aus der Box und ging mit ihr, damit sie sich nicht hinlegen konnte. Liane, Michael, Jan M. und der Zimmermann schoben die Box in den Pferdehänger.  Dann ging F. mit mir,  wieder in ihre Kiste. Der Hänger wurde geschlossen und wir fuhren zu Mortelmann’s Stall. Vom Zoll war weit und breit nichts zu sehen. Um 1:30h kamen wir am Stall an. Es erwartete uns eine schöne Kanne Kaffee. Und jetzt als Fauzia in ihrem schönen Stall stand löste sich allmählich auch bei mir die Spannung. Liane, Michael und ich schliefen in der Box nebenan.

Fauzia blieb ein paar Wochen in Antwerpen in Quarantäne bis die Untersuchungsergebnisse aus dem Labor zurück waren.  Es war alles o.k., sie war völlig gesund. Das Beste aber war dass sie von Hobbi tragend war. Ca. 4 Wochen später holte ich sie ab. Sie war inzwischen ein belgisches Reitpony geworden. Sie gefiel dem Zöllner an der deutsch- belgischen Grenze gut. Auch  ihre Papiere fanden Anerkennung. Zitat: Endlich ein Pferd mit ordentlichen Papieren!

 

An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bedanken bei allen die mich bei meinem Unterfangen unterstützt haben

 

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